Themen


Landwirtschaft am Limit?

Einladung zum Gespräch am 24. Oktober 2024, 19:30 – 21:00 Uhr im Goldener Anker in Jeddeloh II

Wie steht es um die Landwirtschaft in unserer Region und in der Gemeinde Edewecht? Welche Themen liegen oben auf? Um welche Interessen geht es? Was bedeutet der anstehende Strukturwandel für die Landwirtschaft? Welche zukunftsfähigen Ideen gibt es auch für kleinere Betriebe und die nächsten Generationen?

Über diese und andere Fragen möchte die UWG Edewecht mit Interessierten ins Gespräch kommen und lädt zu einem Gesprächsabend im Goldenen Anker in Jeddeloh II ein. Als Gesprächspartner/innen konnte die UWG Ottmar Ilchmann, Maren Boltes und Reiner Lübben gewinnen.

Die Bauernproteste sind vorerst vorbei, die Themen aber sind geblieben und noch lange nicht vom Tisch: zu viel und unsinnige Bürokratie, zu viele Vorschriften, die an der Realität vorbeigehen und vor allem die „Kleinen“ treffen. Es geht um artgerechte Tierhaltung und nachhaltiges Wirtschaften, um gerechte Preise für Lebensmittel, das stetige Höfe-Sterben oder um die geforderte Vernässung von Moorflächen. Es geht darum, welche Landwirtschaft wir brauchen und wollen – für unsere Region und konkret in Edewecht. Und auch darum, dass schon lange sehr viel und mehr an der Landwirtschaft verdient wird als mit Landwirtschaft.

Kann uns das egal sein?

Landwirtschaft prägt das Bild unserer Gemeinde Edewecht. Landwirtschaftspolitik trifft jeden landwirtschaftlichen Betrieb hier vor Ort. Im Großen wie im Kleinen ging es bislang vor allem um technischen und chemischen Fortschritt, um mehr und billigere Lebensmittel: „Wachsen oder Weichen“ mit all den damit einhergehenden Problemen. Eine Landwirtschaft, die uns mit hier erzeugten Produkten versorgt ging immer mehr verloren. Agrarindustrie oder Verpächter haben satte Gewinne, kleine Betriebe gehen vor die Hunde. Wenn der Trend so weitergeht sind die kleineren Familienbetriebe bald Geschichte. Auch in Edewecht.

Die UWG hat Gesprächspartner/innen aus der regionalen Landwirtschaft eingeladen, die unterschiedliche Wege gehen und ihre Erfahrungen mitbringen.

Ottmar Ilchmann ist Milchbauer aus der Region und Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Hier sind konventionell und ökologisch wirtschaftende Bauernhöfe zusammengeschlossen. Ihre Themen drehen sind um eine sozial- und umweltverträgliche Landwirtschaft. „Die Gesellschaft wie auch die Bauern und Bäuerinnen wollen Tierschutz, Klimaschutz, den Erhalt der Artenvielfalt, das bedeutet höhere Kosten und deshalb fordert die AbL wirtschaftliche Perspektiven für die Höfe.“ Mehr unter: https://www.abl-ev.de/start

Maren Boltes ist junge Milchbäuerin aus Oldenburg. Ihr Hof bewirtschaftet Moor- und Naturschutzflächen mit 120 Milchkühen am Rande von Oldenburg. Auf unterschiedlichen Wegen bringt sie Menschen landwirtschaftliche Arbeit nahe, über Informationstafeln, Hofführungen, Schulklassenbesuche und soziale Medien. Sie engagiert sich in der i.m.a (information.medien.agrar e.V.). Hier werden Landwirt*innen bei ihren Vorhaben, mit Verbraucher*innen in den Dialog zu kommen unterstützt. Mehr unter https://www.ima-agrar.de/einsichten-betriebe/14-projekte-und-aktivitaeten/einsichten/1168-est-hof-boltes

Reiner Lübben ist Landwirt aus Jeddeloh I. Den Familienbetrieb konnte er vor zwei Jahren an einen Nachfolger übergeben. Als ehemaliger Milchbauer und ehemaliges Vorstandsmitglied der DKM (Deutsches Milchkontor, Deutschlands größte Molkereigenossenschaft) kennt er sich mit Milchwirtschaft und den unterschiedlichen Problemlagen gut aus.

Margaretha Kurmann


Klimaschutz – Moorschutz – Artenschutz zusammen denken

UWG fordert Rat und Verwaltung auf, ihre Planungshoheit bei der Ausweisung von Flächen für Windkraft nicht ohne Not aufzugeben

Sonnenuntergang über dem Vehnemoor

Vor einem Jahr hat der Gemeinderat sich selbst gefeiert! Ein Klimaschutzkonzept wurde beschlossen, fast einstimmig. Nicht zugestimmt hat damals Thomas Apitzsch von der UWG. Auch weil er die Verengung von Klimaschutz auf ein Umsetzen von Windenergie ohne Wenn und Aber falsch fand. Nun steht die abschließende Befassung mit dem neuen Teilflächennutzungsplan „Windenergie“ durch Bauausschuss und Rat an. Für die für Windanlagen vorgesehenen Flächen vor allem in Husbäke fordert die UWG ein Überdenken.

Eine Wende in unserem Umgang mit Energie ist notwendig. Für die Umsetzung muss die Gemeinde die Voraussetzungen schaffen, dafür hat sie die grundgesetzlich verankerte Planungshoheit. Und sie muss demokratisch entscheiden, mit und im Interesse der Leute, die hier leben.

Artenschutz, Moorschutz und Klimaschutz gehören zusammen – das sollten wir nicht einfach vom Tisch wischen mit einem „… das muss jetzt so sein“. Noch ist nicht entschieden, ob die kritischen Flächen überhaupt zur Erreichung der Landesflächenwertes gebraucht werden, warum sich also im vorauseilenden Gehorsam jagen lassen. Nutzen wir als Gemeinde unsere Planungshoheit. Wir hoffen in den anstehenden abschließenden Befassungen im Bauausschuss und im Rat auf eine Chance auf Besseres.

Flächennutzungskonflikte nicht beiseite wischen

Der aktuell geforderte beschleunigte Ausbau von Windenergie stellt Politik und Naturschutz vor schwerwiegende Entscheidungen. Denn Klimaschutz ist viel mehr als nur Energiewende. Moorschutz und Moor-Vernässung, Artenschutz, Aufforstungen, Biotope herstellen und vernetzen, Wasser-Management, weniger Bauen, weniger Verkehr, Agrarwende, Umweltbildung gehören auch dazu. Konflikte vor allem Flächennutzungskonflikte sind unvermeidlich und müssen ernsthaft angegangen werden. Ein Tunnelblick „… das muss jetzt sein“ wie aktuell bei der Festlegung der Windenergieflächen kann am Ende auch zu weniger Klimaschutz führen.

Von den geplanten Windenergieflächen liegt die aus unserer Sicht problematischste in Husbäke. Hier geht es um eine sehr große Fläche an Moorböden, direkt am Naturschutzgebiet (NSG) Vehnemoor. Diese Fläche hat der Gemeinderat im Jahr 2014 aus Artenschutzgründen als Standort für Windenergie abgelehnt. Damals war das NSG in diesem Bereich noch eine braune Wüstenlandschaft, der Torfabbau noch in vollem Gange. Nun hat in den meisten Flächen die Wiedervernässung begonnen. Seit Jahren siedeln sich hier Tier- und Pflanzenarten wieder neu an, Ornithologen sind begeistert von der Entwicklung.

Biodiversitätsverlust und Erderwärmung sind zwei gleichrangige Krisen von großer ökologischer und gesellschaftlicher Bedeutung. Die Bedeutung der Moore für den Klimaschutz sind inzwischen breit anerkannt. Im Oktober 2022 trat die „Nationale Moorstrategie“ Deutschlands in Kraft. Unser Bundesland mit dem größten Anteil an Mooren, die knapp 15 % der Landesfläche ausmachen, steht in einer besonderen Verantwortung. Niedersachsen plant mit einer „Landesmoorgesellschaft“ eine eigene Strategie zum Schutz der niedersächsischen Moore. Diese soll Anfang 2024 fertig sein. Edewecht mit einem der größten Mooranteile im Landkreis Ammerland wird hiervon besonders betroffen sein. Wir werden Moorböden zur Vernässung brauchen. Zumal sie dem Klimaschutz mehr bringen als der Bau von Windenergieanlagen auf Moorböden, was zunächst riesige Mengen CO2 freisetzt. Deswegen muss nach Ansicht vieler Menschen im Sinne des Klimaschutzes hier Moorschutz und Artenschutz Vorrang haben.

Und: Im Bereich der vorgesehenen Fläche in Scheps stehen bereits mehrere Windanlagen. Dies führt dort zu einer deutlichen Überfrachtung des Raumes. Diese Überbelastung der dort lebenden Menschen sollte nicht einfach vom Tisch gewischt werden.

Das Pferd von hinten aufgezäumt

Ja: Das Wind-an-Land-Gesetzes muss umgesetzt werden. Die Verantwortung liegt aber beim Land Niedersachsen, dann beim Landkreis und erst am Ende bei der Kommune.

Der Bund hat sein „Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land“ (sog. Wind-an-Land-Gesetz) zum 1. Februar 2023 umgesetzt. Ziel ist es, 2 Prozent der Bundesfläche für Windenergie an Land zur Verfügung zu haben. Für die Umsetzung hat der Bund die Länder verpflichtet, sogenannte „Flächenbeitragswerte“ zu liefern, insgesamt bis Ende des Jahres 2027 1,4 Prozent und bis Ende 2032 zwei Prozent der Bundesfläche. Für Niedersachsen liegt der Flächenbeitragswert bei insgesamt 2,2 Prozent Landesfläche.

Niedersachsen hat sein Landesgesetz zur Umsetzung noch nicht verabschiedet. Im Entwurf nimmt das Land die Träger der Regionalplanung in die Pflicht, in unserem Fall ist das der Landkreis Ammerland. Die jeweiligen Flächenziele werden mit Anteilen von 0,01 % bis 4,0 % verteilt. Fürs Ammerland sieht das Land Niedersachsen in seinem Gesetzentwurf 1,32 Prozent der Flächen vor, bei angenommenen Potentialflächen von 2,25 Prozent. Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet, es können sich also noch Veränderungen ergeben.

Klar ist es klug und wichtig, sich als Gemeinde mit den eigenen Interessen im laufenden Prozess einzubringen. Das Wind-an-Land-Gesetz führt dazu, dass Gemeinden bis Februar 2024 „substantiellen Raum“ in ihren Flächennutzungsplänen für Windenergien bestimmen müssen, wenn sie die Entprivilegierung von Windenergievorhaben außerhalb davon dauerhaft sichern wollen. Wichtig ist es aber auch, die eigene Planungshoheit nicht ohne Not aufzugeben. Diese Not wird in Edewecht aber auch in anderen Gemeinden damit begründet, dass auch als kritisch angesehene Flächen in den neuen Teilflächennutzungsplänen Windenergie aufgenommen werden müssen, um Wildwuchs zu vermeiden. Da bislang weder Land noch Landkreis rechtsverbindliche Vorgaben gemacht haben, sollte noch einmal gründlich geprüft werden, ob die für Artenschutz und Moorschutz wichtigen Flächen in Husbäke überhaupt notwendig sind.

Wind-an-Land-Gesetz

Entwurf für die Umsetzung in Niedersachsen vom Mai 2023

Umdenken statt durchregieren

Die Gemeinde Edewecht muss wie andere Gemeinden auch einen neuen Teilflächennutzungsplan Windenergie (FNP) aufstellen. Das Wind-an-Land-Gesetz beinhaltet wesentliche Änderungen im Baugesetzbuch. Demnach müssen Kommunen in ihren Flächennutzungsplänen „substanziellen Raum“ für Windenergie zur Verfügung stellen. Was das genau heißt, ist nicht definiert, es kommt auf den Einzelfall an. Das Bundesgesetz sieht Ausgleichsmöglichkeiten durch andere Regionen vor, wenn eine Kommune nicht genügend geeignete Flächen hat.

Das Wind-an-Land-Gesetz sieht bei Flächennutzungskonflikten weiterhin vor, dass die Erforderlichkeit der Ausweisung für Windenergie zur Erreichung des Flächenbeitragswerts geprüft wird. Die Prüfung der Erforderlichkeit beinhaltet Abwägungselemente. Diese Abwägung steht unserer Meinung nach für die Flächen am Vehnemoor noch aus.

Quelle: Arbeitshilfe zum Vollzug des Gesetzes zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land (sog. Wind-an-Land-Gesetz) beschlossen durch die Fachkommission Städtebau und den Ausschuss für Recht und Verfahren der Ministerkonferenz für Raumordnung am 3. Juli 2023

Das Land Niedersachsen bezeichnet 7,2 Prozent der Landesfläche prinzipiell als Windenergie-Standort geeignet. Energieminister Meyer: „Die Rückmeldungen vieler Kommunen machen mich zuversichtlich, dass wir 2026 schon 2,5 Prozent oder sogar mehr Windvorranggebiete erreichen können.“ Das hört sich nach Luft nach oben an. Insgesamt ein noch offener Prozess.

Quelle: https://www.umwelt.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pressemitteilungen/pi-01-windkraft-219386.html

Planungshoheit jetzt noch nutzen

Warum will trotz vieler Bedenken und trotz vieler Eingaben von Initiativen und BürgInnen bisher eine Mehrheit im Gemeinderat die kritischen Flächen jetzt und schnell für Windenergie festlegen? Über die Sorge, „…,wenn wir jetzt nicht bestimmen, bestimmen andere“ hinaus argumentieren einige aus Rat und Verwaltung, dass sie Windenergie extrem wichtig finden, so dass alles andere dahinter zurückstehen soll, vielleicht wollen andere ihren ParteifreundInnen im Bund auch nicht widersprechen?

Wir finden: Ein neuer Teilflächennutzungsplan Windenergie ohne die strittigen Flächen in Husbäke und Scheps kann verantwortet werden. Der Gemeinderat hat dazu das Recht und kann es auch gut begründen. Der FNP muss vom Gemeinderat beschlossen werden, danach muss der Landkreis ihn noch genehmigen. Dabei wird hier dann Thema, ob noch Flächen für Windkraft für die Flächenbeitragswerte des Landes fehlen und welche Flächen der einzelnen Gemeinden dann in der Abwägung zur Erforderlichkeit aufgenommen werden müssen. Möglicherweise geht es auch ohne die kritischen Flächen in Edewecht.

Wir können in diesem Verfahren den Landkreis davon überzeugen, dass es in Edewecht nur sehr wenige geeignete Windenergieflächen gibt. Der Landkreis nennt die Flächen am NSG Vehnemoor in seinem eigenen Landschaftrahmenplan als wichtig für den Artenschutz.

Und zum „jetzt und schnell“ möchten wir darauf verweisen, dass bei Ausweisung von substantiellen Flächen für Windenergie in einem Teilflächennutzungsplan Windenergie bis Februar 2024, also bis ein Jahr nach Inkrafttreten des Wind-an-Land-Gesetzes, deren Ausschlusswirkung noch bis zum 31.12.2026 fortwirkt. Ausschlusswirkung bedeutet, dass Windenergieanlagen außerhalb von in einem Flächennutzungsplan oder Regionalplan dargestellten Flächen grundsätzlich nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB unzulässig sind.

Quelle: https://sparwasser-schmidt.de/wind-an-land-gesetz-und-die-planungshoheit-der-kommunen/

Demokratie geht anders

Beteiligung von BürgerInnen an solch weitreichenden Entscheidungen ist demokratische Pflicht. Im Verlauf der Ausweisung der Potentialflächen für Windenergie für Edewecht haben viele BürgerInnen ihre Eingaben gemacht, zuletzt waren Stellungnahmen zum „Sachlichen Teilflächennutzungsplan „Windenergie“ gemäß § 5 Abs. 2 b BauGB29“ vom Juni 2023 bis einschließlich 31. Juli 2023 möglich. Allerdings wurde die Auslegung nun zum 2. Mal in die Ferien gelegt. Niedrigschwellig ist das nicht. Die vielfältigen Eingaben von BürgerInnen, von Institutionen und Organisationen wurden im bisherigen Verfahren vielfach nicht berücksichtigt. Sie wurden nur „zur Kenntnis genommen“ oder gleich abgelehnt. Das war keine faire Abwägung unterschiedlicher Meinungen. Und Kenntnisnahme ist qua Gesetz vorgeschrieben und kein angemessener Umgang mit den Eingaben.

Ein Appell zum Umdenken

„In der Verantwortung für zukünftige Generationen bestimmt der Klimawandel, wie wir als Menschen leben, das Artensterben, ob wir auf der Erde überleben.“ (Prof. Dr. Böhning-Gaese: Das Verschwinden der Arten“)

Kommen wir unserer besonderen Pflicht zur Sorgfalt, insbesondere bei Flächen mit deutlichen Zielkonflikten wie zum Beispiel dem Gebiet am Vehnemoor in Husbäke nach. Hier haben wir einen vom Bundesministerium für Naturschutz ausgewiesenen Hotspot der Biodiversität und auch noch intakte Moorkörper.

Wir wollen uns einsetzen für mehr Klimaschutz durch Energiewende und Landschaftsschutz, Moorschutz und Artenschutz.

Wir hoffen in den anstehenden abschließenden Befassungen im Bauausschuss und im Rat auf ein Umdenken.

UWG Edewecht

Im Rat: Thomas Apitzsch



Zusammenfassung der Schwerpunkte des Vortrages von Dr. Jens-Uwe Holthuis

(Erstellt nach Vortragsvorlage, die der Referent freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat)

Entwässerte Moore: die stillen hot spots der Klimaerwärmung

9 % der Fläche Niedersachsens sind Moorböden, 95% davon entwässert. Es geht hierbei vor allem um landwirtschaftliche Nutzung, um Weiden, Äcker, Baumschulen, Gras, Mais und Kartoffeln. Moorböden sind für 11% der Gesamt-Treibhausgase in Niedersachsen verantwortlich, aber sie sind auch für viele Menschen in Niedersachsen und Edewecht Heimat und Existenzgrundlage. Im Ammerland haben wir es mit 40,6 % Moorböden zu tun, davon sind 83 % landwirtschaftlich genutzt. In der Gemeinde Edewecht sind es sogar 46% Moorböden, von denen 85% landwirtschaftlich genutzt wird mit einem hohen Anteil von Ackerböden von 25%.

In Edewecht stammt jede dritte Tonne CO2 aus trockenen Mooren – landesweit ist es nur jede 9. Tonne. Moore bieten für die Gemeinde Edewecht also ein echtes Einsparpotential und Chance zu effektiven Klimaschutz.

dem Dritten das Brot, und die vierte Generation verliert den Boden unter den Füßen

Moor ist nass, es wurde einer landwirtschaftlichen Nutzung angepasst: durch Entwässerung. Diese folgt einem Kreislauf von Entwässerung, Absackung und Schrumpfung des Bodens durch Oxidation/ Abgabe von CO2, Verlust an Höhe und Vorflut, folgend Ertragseinbuße und weitere Entwässerung usw…. Die Moore schrumpfen dabei um 1-2 cm pro Jahr, in 50 Jahren kann das schon ein Meter sein – Torfschwund bedeutet, unsere Moore lösen sich sozusagen in Luft auf und heizen das Klima an. Die Schäden an der Infrastruktur wie Straßen oder im privaten Bereich z.B. an Gebäuden sind enorm – wir kennen sie alle.

Torfschwund und CO2 -Emission: die Nutzungsintensität macht‘s!

Schaut man sich die Treibhausgas-Emissionen von natürlichen Mooren im Vergleich zu genutzten Mooren an, wird dies deutlich. Während Moore im nassen Zustand etwa 0-8 t CO2/ha jährlich emittieren, sind es bei nasser Nutzung 5-8 t, bei Weideland 29 t und bei Nutzung als Acker 37 t (gemittelte Werte). Milchwirtschaft oder Maisanbau für Biogas lohnen nur, wenn man nur auf die betrieblichen Gewinne schaut und die gesellschaftlichen und Transferleistungen ausgeblendet werden.

Moor braucht nass – nasse Landwirtschaft auf Hochmoor

Es bleiben zwei Optionen: mit dem Wasser oder gegen das Wasser arbeiten. Wird weiter auf Bearbeitung drainierter Moorböden gesetzt, ist dies mit steigenden Betriebs- und Entwässerungskosten sowie hohen Emissionen von CO2 verbunden. Will man das nicht, bleibt, mit dauerhaft nassen Moorböden landwirtschaftlich zu arbeiten, es sei denn, man vernässt die die Moore ohne sie zu nutzen. Das ist Paludikultur.

Paludikultur bedeutet, sich mit der Nutzung an die Moore anzupassen. Sie wird zur Einkommensalternative für Landwirte, in Dauerkultur und ohne Dünge- oder Pestizideinsatz bei Reduktion der „CO2 -Quelle“ und der Erhöhung „CO2 -Senke“. Inzwischen gibt es unterschiedliche und funktionierende Versuchsprojekte z.B. in Barver. Moose sind mehr als man denkt nutzbar: Substrate, Saat/Renaturierungsmaterial, Floristik, Tierhaltung, Chemikalienabsorption, Isolierstoff, Medizinprodukt oder Filter. Weitere Entwicklungen werden folgen.

Landwirtschaft auf Niedermoor

Der Rohrkolben-Versuchspolder Bad Bederkesa zeigt den möglichen Umschwung von unwirtschaftlichem Nassgrünland zur Paludikultur. Rohrkolben lassen sich gut anbauen und können bereits nach einem Jahr geerntet werden für: Substrate, Verpackungen, Dämmmaterialien und Baustoffe.

Werden ökologische Kosten eingepreist, rechnen sich auch andere denkbare Modelle der Umnutzung landwirtschaftlicher Flächen: Klimalandwirtschaft oder Finanzierung über Zertifikate bei Umsteuerung auf nasse Landwirtschaft. Mehr dazu beim Deutschen Verband für Landschaftspflege unter https://www.dvl.org/aktuelles/nachrichtendetails/klimaschutz-im-moor-landwirtschaft-ist-teil-der-loesung

So wird Landwirtschaft zum Teil der Lösung!

Die Grundlagen sind gelegt – an Rahmenbedingungen und Förderkulisse fehlt es noch. Grundlegend muss Paludikultur als Landwirtschaft anerkannt werden, und die sog. Zollcodegruppen der EU müssen geändert werden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen ein verlässliches Arbeiten sicherstellen, es braucht zudem eine Änderung der Förderung nicht-standortgemäßer Nutzung. Volkswirtschaftlich steht eine öffentliche Umsetzung des Strukturwandels, eine Anerkennung von Ökodienstleistungen durch eine geänderte Landwirtschaft sowie die Einpreisung aller Kosten für Nutzungen auf der Tagesordnung.

Vor Ort in Edewecht geht es um Akzeptanz und Sensibilisierung, um ein Moorkataster und um Praxiserprobung und Pilotprojekte. Dazu gehören auch Unterstützung bei Investitionen und die Weiterentwicklung von gangbaren Formen wie Genossenschaften oder Vertragsanbau für die neue Art der Moorbewirtschaftung.

Edewecht – auf geht’s …

Das Klimaschutzkonzept der Gemeinde sieht ein Moorkataster vor, um geeignete Flächen für Vernässung zu identifizieren und Kontakt mit den Besitzer/innen aufnehmen zu können. Es sollen zudem Flächen für Pilotprojekte ausgewiesen werden. Hier ist das Konzept der Gemeinde Edewecht https://edewecht.de/leben-in-edewecht/klimaschutz/

Im Landkreis Diepholz ist es gelungen, von kleinteiliger Flächenverteilung über Flächentausch zu zusammenhängenden Flächen für Wiedervernässung zu kommen. Nur ein gutes Beispiel, von dem Edewecht profitieren könnte.

Also: Es wird nicht einfach, aber es ist sinnvoll.

Wo, wenn nicht hier – wann, wenn nicht jetzt!

Bericht: Margaretha Kurmann



Klimaschutz braucht Moorschutz und Wiedervernässung

Den eersten sin Dod, den tweeten sin Not, den dritten sin Brod“ – un nu?

Bekanntmachung Veranstaltung vom 02.03.2023

In den rund 1,8 Millionen Hektar Moorböden Deutschlands, das sind rund 5 Prozent der gesamten Landesfläche, ist genauso viel Kohlenstoff gespeichert wie in allen deutschen Wäldern. Die entwässerten Moore Deutschlands verursachen 53 Mio. t CO2-Äquivalente. Das sind 7 Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen und mehr als ein Drittel aller Treibhausgasemissionen, die der Landwirtschaft zuzuordnen sind, obwohl Moorböden nur ca. 10% der landwirtschaftlich genutzten Fläche ausmachen. Denn: nur nasse Moore können die großen Mengen CO2 speichern, die wir zum Schutz unseres Klimas so sehr brauchen.

Das moorreichste Bundesland ist mit 600.000 Hektar Niedersachsen, davon sind nur noch etwa 20.000 Hektar intakt. 70 Prozent der Moorböden werden landwirtschaftlich, vor allem als Grünland genutzt. Beim Torfabbau liegt Niedersachsen mit 95% der Gesamtförderung in Deutschland ganz vorn. 11% der gesamten niedersächsischen Treibhausgase entweichen aus den Mooren und kohlenstoffreichen Böden. Das sind jährlich ca. 10,6 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente. 90% davon entfallen auf die landwirtschaftlich genutzten Moorflächen. Der Torfabbau ist dabei noch nicht berücksichtigt. Im Angesicht dieses Befundes hat Niedersachsen – wie PolitikerInnen gerne sagen – seine Hausaufgaben bisher nicht gemacht. Jetzt wird es höchste Zeit.

Die Entwässerung und Nutzbarmachung der Moore folgte einem wirtschaftspolitischen Programm. Hier wurde sehr viel Geld investiert. So flossen z.B. in den 1950 im Bundestag beschlossenen Emslandplan für 15 Jahre jährlich jeweils ca. 1 Prozent des Bundeshaushalts. Fast 17.000 Hektar Moore wurden damit trockengelegt und ermöglichten für viele in der Region ein besseres Leben. Heute, nur 60 Jahre später wissen wir es besser. Wieder wird viel Geld in die Hand genommen, z.B. um zu renaturieren oder wiederzuvernässen.

Viele Daten und Fakten zu Mooren im Mooratlas: https://www.boell.de/de/mooratlas

Das Edewechter Klimakonzept und der Moorschutz

Edewecht ist eine Moorgemeinde, wenn auch nicht im Kern so doch in neueren Siedlungen. Die Moorböden sind fast alle trockengelegt vor allem für die Landwirtschaft. Aber auch ganze Ortschaften wie Friedrichsfehn oder Jeddeloh II sind auf Moorböden entstanden.

Das Klimaschutzkonzept unserer Gemeinde beschreibt, wie wichtig Moorschutz vor allem zu Minderung von Treibhausgasen ist: intakte Moore auf keinen Fall abzubauen oder zu entwässern, trockengelegte Böden wieder zu vernässen und Nutzungen für nasse Böden zu fördern. Leider finden wir diese Analyse nicht in den vorgesehenen Maßnahmen wieder. Weder für eine Umgestaltung von Landwirtschaft auf Moorböden noch für den hohen Torfverbrauch der Baumschulen sind verbindliche Aktivitäten verabredet worden. Nur zum Bauen hat der Gemeinderat beschlossen, jetzt nur noch schon genehmigte Baugebiete auf Moorböden zuzulassen. Danach soll damit Schluss sein.

Und das planen Bund und Länder

Die Ziele der nationalen Moorschutzstrategie und der Bund-Länder-Zielvereinbarung sehen eine stark eingeschränkte land- und forstwirtschaftliche Nutzung vor. Unter gemeinsamer Federführung des Bundesumweltministeriums (BMU, jetzt BMUV) und des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) wurde im Oktober 2021 eine Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Schutz von Moorböden unterzeichnet. Grundlage der Zielvereinbarung ist die Einsicht der Beteiligten, dass die Klimaziele Deutschlands nur mit ernsthaftem Moorschutz erreicht werden können. Bei der Umsetzung der Maßnahmen bleiben Bund und Länder allerdings eher vage und formulieren die Wichtigkeit des freiwilligen Mitwirkens derjenigen, denen die Flächen gehören und die sie nutzen.

Schwerpunkte sind Maßnahmen zur großflächigen Wiedervernässung entwässerter Moorböden. Eine land- und forstwirtschaftliche Bewirtschaftung soll trotz der angehobenen Wasserstände weiterhin möglich sein. Die Einführung und Weiterentwicklung standortangepasster Nutzungen, die mit hohen Wasserständen vereinbar sind – den sogenannten Paludikulturen – sollen gefördert werden.

Die vom Bundeskabinett am 9.11.2022 beschlossene Nationale Moorschutzstrategie ist der verbindliche politische Rahmen für alle Aspekte des Moorschutzes in Deutschland. Sie knüpft an die Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Klimaschutz durch Moorbodenschutz an.

Die Schwerpunkte der Moorschutzstrategie sind:

  • Schutz und Wiederherstellung noch naturnaher Moore
  • Landwirtschaftliche Umnutzung auf wiedervernässten Moorböden – auf freiwilliger Basis über finanzielle Anreize
  • Keine weiteren Genehmigungen für den Torfabbau

Alle 5 Jahre muss der Bund über Fortschritte berichten, 2025 werden die ersten Erfolge der Wiedervernässung untersucht und konkrete Ziele zur Treibhausgasverminderung für 2045 festgelegt. Die Finanzierung von Maßnahmen ist als Teil des geplanten Aktionsprogramms natürlicher Klimaschutz vorgesehen, für das gesamte Programm sind bis 2026 4 Milliarden Euro im Bundeshaushalt vorgesehen. Das Bundesumweltministerium stellt darüber hinaus für die nächsten zehn Jahre rund 50 Millionen Euro für Pilotvorhaben zum Moorbodenschutz zur Verfügung.

Hier geht’s zur Zielvereinbarung: https://www.bmuv.de/download/bund-laender-zielvereinbarung-zum-moorbodenschutz

Und hier zur Moorschutzstrategie: https://www.bmuv.de/download/nationale-moorschutzstrategie

Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz

Das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz – in dessen Rahmen der Moorschutz finanziert werden soll – ist im Koalitionsvertrag festgelegt und liegt im Entwurf vor. Die Finanzierung des Programms erfolgt weitgehend aus dem Klima- und Transformationsfonds (Sondervermögen des Bundes). Der Schwerpunkt des Aktionsprogramms liegt auf der Finanzierung von konkreten Renaturierungsmaßnahmen und Anreizen für klimafreundliche und naturverträgliche Bewirtschaftungsformen. Darüber hinaus sollen die Gelder eingesetzt werden für

  • Wiederherstellung eines naturnahen Wasserhaushalts
  • Gesunde Wälder
  • Klimafeste Städte und Gemeinden

Edewecht als „Moor-Gemeinde“ erfüllt über den Moorschutz hinaus sicher auch andere Förderungskriterien des Aktionsprogramms. Es wird sich sicherlich lohnen, sich intensiv damit zu befassen, was mit unseren Moorböden in Edewecht weiter geschehen soll oder gar muss, und welche Fördergelder es dafür gibt.

https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Naturschutz/aktionsprogramm_natuerlicher_klimaschutz_entwurf_kurzfassung_bf.pdf

Themenseite Moorschutz unter https://www.bmuv.de/themen/naturschutz-artenvielfalt/naturschutz-biologische-vielfalt/moorschutz

Aktivitäten in Niedersachsen

Die Vereinbarungen des sog. Niedersächsischen Weges befassen sich zum Thema Moorschutz mit der bodenerhaltenden und klimanützlichen Bewirtschaftung von Moorstandorten und damit, wie dies mit EU-Mitteln für Niedersachsen zu nutzen ist. Förderprojekte gemäß der EFRE-Richtlinie „Klimaschutz durch Moorentwicklung“ sollen eine moorschonende Bewirtschaftung auf vernässten Moorflächen etablieren. Im Rahmen des EFRE-Projekts Produktketten aus Niedermoorbiomasse sind erste Pilotflächen für Niedermoor-Paludikultur eingerichtet worden. Die Pilotflächen entstehen in unterschiedlichen Regionen, um regionalspezifisch auswerten zu können.

https://www.3-n.info/news-und-termine/aktuelle-meldungen/biooekonomie/produktketten-aus-niedermoorbiomasse.html

Für eine klimaschonendere Bewirtschaftung von Moorstandorten und zur Bewertung von Umsetzungsmöglichkeiten für die Landwirtschaft führt die Landwirtschaftskammer Niedersachsen seit März 2022 das Projekt „Unterstützung der Transformation der landwirtschaftlichen Moornutzung in Niedersachsen im Sinne des Klimaschutzes durch systemische Untersuchungen und Prozessbegleitung“ (MoWa) durch. Ziel des Projektes ist die Vorbereitung, Entwicklung und Etablierung eines Transformationsprozesses hin zu einer moor- bzw. klimaschonenderen Bewirtschaftung. Dieses Vorhaben wird vom Land mit 1,4 Millionen Euro gefördert. (Bericht des niedersächsischen Ministeriums für Landwirtschaft 2017-2022)

Quelle: https://www.umwelt.niedersachsen.de/niedersaechsischer-weg/12_klimaschonende_bewirtschaftung/klimaschonende-bewirtschaftung-218467.html

Grünlandumbruch-Verbot

In § 2a des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes ist geregelt, dass als Grünland genutzte Flächen in bestimmten Regionen nicht ohne Genehmigung der Unteren Naturschutzbehörde umgebrochen werden dürfen. Dies gilt für Moorstandorte. Pflegemaßnahmen bis 10 cm Tiefe sind nach Anzeige bei der Behörde möglich. Für das Grünlandumbruchverbot wird der Erweiterte Erschwernisausgleich gezahlt.

Quelle: https://www.umwelt.niedersachsen.de/niedersaechsischer-weg/1_gesetzlich_geschutzte_biotope_und_grunlandumbruch/regelungen-im-naturschutzgesetz-215908.html

Recherchedatum für die Links: 8.2.2023

Margaretha Kurmann


Jetzt soll es ganz schnell gehen

Edewecht ist dicht besiedelt. Beim Bau von Windrädern, Windparks müssen Abstandsregelungen zur Wohnbebauung und Bestimmungen zum Arten- und Naturschutz beachtet werden. Die für Edewecht zur Verfügung stehenden Flächen sind dadurch deutlich begrenzt.

Nach den Vorgaben des Bundes muss das Land Niedersachsen bis 2032 2,2% der Fläche für den Bau von Windkraftanlagen ausweisen. Dies kann über landesweite oder regionale Raumordnungspläne umgesetzt werden oder die Landkreise und Kommunen sichern die Ausweisung der Flächen. Ein kompliziertes Zusammenspiel von Land, Kreis und Kommune – verschränkt mit den Interessen der Windindustrie. Werden die Flächen nicht fristgerecht ausgewiesen, können die geltenden Bestimmungen zum Schutz von Menschen, Arten und Natur gekippt werden. Trotz politischen und zeitlichen Druckes ist Sorgfalt gefragt.

Gelegenheit sich zu informieren, zu fragen und sich auszutauschen

Mit der Veranstaltung „Windige Zeiten – Kann die Gemeinde noch selbst gestalten? Und wo bleiben die Bürger:innen?“ lädt die UWG Edewecht alle Interessierten ein, sich über den aktuellen Stand der Dinge in der Gemeinde Edewecht zu informieren und Informationen zu den mit der Ausweisung von Flächen verbundenen Rechtsfragen zu erhalten. Frau Dr. Engbers steht für Rechtsfragen zur Verfügung. Es soll Zeit bleiben für den Austausch untereinander und zum Gespräch. Sicherlich kann unser Ratsherr Thomas Apitzsch am Ende des Abends Anregungen für seine Ratsarbeit mitnehmen.

  • Was sind die Zuständigkeiten von Land, Kreis und Kommune?
  • Wo bleibt bei all dem die kommunale Planungshoheit?
  • Welchen Handlungsspielraum hat die Gemeinde Edewecht?
  • Was steht als nächstes an?
  • Kommt ein Runder Tisch?

Und vor allem: welche Rolle spielen diejenigen, die in der Gemeinde heute und in Zukunft leben? Wo und wie findet eine ernsthafte Beteiligung statt

Mehr als das Nötige tun: Beteiligung Aller bleibt unverzichtbar

Mit den neuen Mehrheiten im Rat der Gemeinde Edewecht besteht die Gefahr, dass Vorhaben durchgewunken werden. Beteiligung ist in Verfahren zur Änderung von Flächennutzungsplänen, wie sie für die Umsetzung von Windkraftanlagen nötig ist, verbindlich vorgesehen. Allerdings kommt es doch sehr darauf an, wie dies geschieht. Man kann die Pläne wie nötig öffentlich auslegen. Man kann sich aber auch richtig was einfallen lassen, um möglichst viele Bürger:innen zu erreichen und einzubeziehen.

Thema „Runder Tisch Windkraft“

Es gab ihn schon mal – einen Runden Tisch Windkraft für die Gemeinde Edewecht. Auf Einladung der Fraktionsvorsitzenden des Edewechter Gemeinderates Freia Taeger (SPD), Jörg Brunßen (CDU), Uwe Heiderich-Willmer (Grüne) und Thomas Apitzsch (UWG) arbeitete der Runde Tisch von Oktober 2014 bis August 2015 zu den Kernthemen der Windkraft und dessen Bedeutung für die Gemeinde Edewecht. Hier ging es um den Stand der Forschung zur Windenergie, Windkraftpotentiale in der Gemeinde, den Ist-Zustand in Edewecht und die Vorstellung der bestehenden Anlage „Hübscher Berg“.

Neben Einrichtungen wie der EWE wurden auch kritische Initiativen eingeladen. Einmütig betonten die Teilnehmenden des Rundes Tisches die Sachlichkeit und Expertise der angehörten Initiativen. Hier ging es um Arten- und Naturschutz, Auswirkungen auf Anwohnende, Grenzen der Windenergie, Alternativen zu großen Windkraftanlagen oder die Werteentwicklung von Immobilien im Einflussbereich von Windkraftanlagen.

Am Ende waren alle Beteiligten mehr als zufrieden mit der guten Arbeit des Runden Tisches, Entscheidungen über die Ausweisung von Flächen in Edewecht wurden erst einmal zurückgestellt. Nun sind die Zeiten andere – aber was spricht dagegen, aus den guten Erfahrungen aufzubauen?

„Es war gut, dass wir uns hier in ruhiger und sachlicher Atmosphäre zusammengefunden haben. Viele Argumente kann man zwar im Internet nachlesen, aber der Austausch, die Diskussion ist doch interessanter. Der Runde Tisch hat durchaus zur Meinungsbildung beigetragen“ meinten die Fraktionsvorsitzenden übereinstimmend. Quelle https://gruene-edewecht.de/loewenzahn/loewenzahnonline2015/runder-tisch-windkraft-vorerst-letztes-treffen/ abgerufen am 8.10.22

Gut zu wissen ….

Das Verfahren sieht die Beteiligung der Bürger:innen vor. Die Unterlagen für die Änderungen des Flächennutzungsplanes zum Bau von Windkraftanlagen werden öffentlich ausgelegt werden. Es besteht die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Bedenken zu äußern. Diese werden in der entscheidenden Ratssitzung vorgelegt.

In Kürze werden die Pläne für die vorgesehenen Flächen zur Beteiligung Aller ausliegen. Danach folgt die Festlegung im Flächennutzungsplan. Dort besteht die Chance, sich einzumischen.

Unterlagen zum Konzept Windenergie mit Potentialanalyse sowie Übersichtskarte für mögliche vorgesehene Flächen unter: https://buergerinfo.edewecht.de/si0057.asp?__ksinr=18871


Integriertes Klimaschutzkonzept Edewecht

Ein Klimakonzept wird erarbeitet

Eine Pusteblume
Eine Pusteblume in einem Blühstreifen

Seit 2020 hat der Klimamanager, Sebastian Ross an einem Klimakonzept für die Gemeinde Edewecht gearbeitet. Dazu sollten möglichst viele Edewechter/innen beteiligt werden. (http://edewecht.de/leben-in-edewecht/klimaschutz/ ) Diese Beteiligung war letztlich eher bescheiden. Der Fachausschuss für Landwirtschaft, Klima- und Umweltschutz hat die Entwicklung des Konzeptes fachlich beraten und gesteuert. Am 14.6.2022 wurde der Entwurf im Ausschuss abschließend beraten und dem Rat der Gemeinde am 28.6.2022 zur Verabschiedung vorgelegt. Vielleicht bemerkenswert: die Vorlage hat den Ausschuss exakt so verlassen wie vorgelegt und die finale Fassung lag zu Beginn der Ratssitzung schon gedruckt vor.

Innerhalb der UWG war das Klimakonzept immer wieder Thema, auch bei den wenigen öffentlichen Sitzungen. Ein Ideen- und Diskussionspapier wurde Herrn Ross zur Verfügung gestellt. Das Klimakonzept wurde nicht so breit und öffentlich diskutiert wie es nach Ansicht der UWG nötig gewesen wäre, immerhin werden hier wichtige Weichen gestellt. Die Beteiligung war zwar durch Corona sehr erschwert, aber wenn z.B. ein Abschlussworkshop auf einen Nachmittag und am Abend auf 18.00 Uhr gelegt wird, werden Werkstätige oder Eltern im Grunde ausgeschlossen. Der Entwicklungsprozess war insgesamt wenig transparent, Unterlagen zum Klima-Ausschuss (wer ist drin, was waren die Themen, was wurde inhaltlich erarbeitet?) nicht online verfügbar. Die inhaltliche Auseinandersetzung war auch hier überschaubar obwohl es um ein wirklich schwieriges, ambitioniertes und umfangreiches Vorhaben ging. Die von Herrn Ross vorgelegte Ist- und Potential-Analyse führte scheinbar nicht dazu, politische Prioritäten zu setzen. Es bleibt der Eindruck, dass die Arbeit am Konzept weitestgehend dem Klimamanager überlassen blieb.

Es ist gut, ein Klimakonzept für Edewecht zu haben

Klar! Es ist gut, ein Klimakonzept für Edewecht zu haben. Es ist sehr gut, dass alle Parteien sich dazu bekennen, hier und jetzt und laufend etwas zu tun und Klimaschutz auf der Prioritätenliste nach ganz oben zu setzen. Und es ist wunderbar, dass sich die Verwaltung mit Freude auf den Weg zu mehr Klimaschutz macht. Darüber hinaus ist es wichtig, dass unsere Bürgermeisterin darauf hinweist, dass wir alle unser Verhalten ändern müssen und es bei der Umsetzung vor allem auf eine gute Kommunikation ankommt. All das können wir sehr gut gebrauchen.

Wir haben nun eine umfassende und zitierfähige Analyse für unsere Gemeinde. Wir haben es schriftlich, dass wir es mit sehr hohen Emissionen aufgrund der 42% Moorböden der Gemeinde zu tun haben, dass die größten Verursacher von Treibhausgasen Industrie, Landwirtschaft und Baumschulen sind, dass es keinen verlässlichen Nahverkehr für nötige Wege oder viel ungenutztes Potential für erneuerbare Energien gibt. Im Maßnahmenkatalog finden sich viele gute Ideen und Vorschläge für einen anderen Umgang mit Natur, Umwelt und Klima. Die UWG wird sich hier gerne für die anstehende Umsetzung engagieren.

Aber bei allem Jubel und aller Freude der Parteien, wie wir sie am 28.6. wie aus einem Munde hören konnten, bleibt es ein Papier – nicht mehr und nicht weniger. Verbindlichkeiten für die Zurverfügungstellung von Haushaltsmittel gibt es nicht, die Verabredungen zur Umsetzung bleiben vage.

Klimakonzept: ja – aber keine vorbehaltlose Zustimmung

Leicht war es nicht, in der allgemeinen Hochstimmung und bei Vorlage der bereits gedruckten Fassung des Konzeptes noch kritische Dinge anzumerken: Thomas Apitzsch hat es dennoch nicht unterlassen. Im Anschluss an sein kritisches Statement folgte eine kleine Diskussion auch zum gegenseitigen Verständnis. Am Ende hat sich Thomas Apitzsch bei der Abstimmung enthalten. Bei allem Respekt für die Arbeit von Herrn Ross greift das Konzept seiner Ansicht nach an wichtigen Stellen zu kurz:

Die Probleme des Flächenverbrauchs werden nicht ausreichend beachtet und durchgearbeitet. Wenn neue Gebiete für Gewerbe, Wohnen, Wind- und Solaranlagen oder versiegelte Baumschulflächen erschlossen werden, hat das erhebliche Klimaauswirkungen. Es ist nicht nur ein enormer Ressourcenverbrauch, es ist meist schwer, später dort natürliche Zustände wieder herzustellen. Wir müssen uns mit der „grauen Energie“, die für Straßenbau, Häuserbau oder Versiegelung in hohem Maße anfällt ebenso ausführlich befassen wie mit dem jeweiligen laufenden Energieverbrauch. Es wäre z.B. ein wichtiger Schritt, bei jedem Vorhaben die dafür benötigte „Graue Energie“ explizit auszurechnen und sichtbar zu machen.

Zum Thema „Windkraft“ gibt er zu bedenken, dass es vor allem um Energieersparnis gehen muss bevor es darum geht, mehr Energie zu gewinnen. Suffizienz, Energieeinsparung bei den großen Verbrauchenden, wird zu gering angesetzt und es muss Einschränkungen im Konsum geben und damit auch beim derzeitigen Lebensstandard. Darüber hinaus sollte die Gemeinde das zunehmende Aushebeln ihrer Planungshoheit – wie bei der bundesgesetzlichen Festlegung von 2% Flächen für Windkraft geschehen – kritisch angehen. Und: es muss auch Thema sein, inwieweit Klimaprobleme im ländlichen Raum abgeladen werden. Windkraftanlagen werden nicht in dicht besiedelten Gebieten gebaut, die Energie wird aber vor allem hier benötigt.

Die Bedeutung von Gewerbe und Landwirtschaft wird kaum beachtet: Im Gegensatz zu verbindlichen Vorschriften für das Bauen einzelner Haushalte bleiben die Maßnahmen bezogen auf den Gewerbebereich vielfach beim „miteinander reden“. Das ist wichtig und wünschenswert, aber mit Blick darauf, dass wir hier die großen Verursachenden von Emissionen haben, doch mager und wenig ambitioniert. Wohl wissend, dass die Landwirtschaft über all die Jahre von einer total verfehlten Landwirtschaftspolitik in diese Situation gezwungen wurde, wird es auch um eine andere Landwirtschaft gehen müssen. Bei den Baumschulen: Fehlanzeige. Sie belegen große Flächen im Gemeindegebiet. Ihr Potenzial zur Energieeinsparung oder flächenschonender Umgang werden nicht extra beleuchtet, obwohl sie ein großer Wirtschaftszweig sind. Keine Maßnahmen vorgesehen – eine verpasste Chance.

Torfabbau: Das ist wahrlich nicht neu, seit über 40 Jahren geht es darum, mit der Verwertung der Moore aufzuhören. Wenn Moorböden 42 % der Fläche unserer Gemeinde sind und nur 1,5 % davon vernässt und unter Naturschutz gestellt, ist das Verhältnis viel zu gering. 10 ha wiederzuvernässen ist gut, aber zu wenig.

Konzepte sind noch keine Maßnahmen und ein Konzept muss nicht nur gut klingen, sondern vor allem verbindlich und wirksam sein. Bei der Umsetzung wird es sehr auf eine gute Kommunikation und auf gute Ideen für eine breite Beteiligung vieler Interessierter in Edewecht und den einzelnen Ortsteilen ankommen. Die UWG wird dabei sein und ihr Bestes für mehr Klimaschutz tun. Auf jeden Fall.

Margaretha Kurmann