Landwirtschaft am Limit?

Bericht zum Gespräch vom 24. Oktober 2024 im Goldener Anker in Jeddeloh II

Wie steht es um die Landwirtschaft in unserer Region und in der Gemeinde Edewecht? Welche Themen liegen oben auf? Um welche Interessen geht es? Was bedeutet der anstehende Strukturwandel für die Landwirtschaft? Welche zukunftsfähigen Ideen gibt es auch für kleinere Betriebe und die nächsten Generationen? Welche Bedeutung hat der Klimawandel und die gewollte Vernässung von Moorböden? Über diese und andere Fragen wollte die UWG Edewecht mit Interessierten ins Gespräch kommen und hat zu einem Gesprächsabend im Goldenen Anker in Jeddeloh II eingeladen. Als Gesprächspartner/innen konnten wir Ottmar Ilchmann, Maren Boltes und Reiner Lübben gewinnen. Margaretha Kurmann moderierte das Gespräch und den Austausch mit den über 60 Besucher/innen der Veranstaltung, Landwirt/innen aber auch anderen Interessierten.

Podiumsgespräch mit Otmar Ilchmann, Maren Boltes, Margaretha Kurmann und Rainer Lübben.


Kann uns das egal sein?

Die Bauernproteste sind vorerst vorbei, die Themen aber sind geblieben: zu viel und unsinnige Bürokratie, zu viele Vorschriften, die an der Realität vorbeigehen und vor allem die „Kleinen“ treffen. Es geht um artgerechte Tierhaltung und nachhaltiges Wirtschaften, um gerechte Preise für Lebensmittel, das stetige Höfe-Sterben oder um die geforderte Vernässung von Moorflächen. Es geht darum, welche Landwirtschaft wir brauchen und wollen – für unsere Region und konkret in Edewecht. Und auch darum, dass schon lange sehr viel und mehr an der Landwirtschaft verdient wird als mit Landwirtschaft.  

Landwirtschaft prägt das Bild der Gemeinde Edewecht. Landwirtschaftspolitik trifft hier jeden landwirtschaftlichen Betrieb. Im Großen wie im Kleinen ging es bislang vor allem um technischen und chemischen Fortschritt, um mehr und billigere Lebensmittel: „Wachsen oder Weichen“ mit all den damit einhergehenden Problemen.  Eine Landwirtschaft, die uns mit hier erzeugten Produkten versorgt geht immer mehr verloren. Agrarindustrie oder Verpächter haben satte Gewinne, kleine Betriebe gehen vor die Hunde. Wenn der Trend so weitergeht sind die kleineren Familienbetriebe bald Geschichte. Auch in Edewecht. 


Erfahrungen waren gefragt

Die Gesprächspartner/innen kommen aus der regionalen Landwirtschaft und sie gehen unterschiedliche Wege.  

Reiner Lübben ist Landwirt aus Jeddeloh I. Den Familienbetrieb konnte er vor zwei Jahren an einen Nachfolger übergeben. Als ehemaliger Milchbauer und Vorstandsmitglied der DMK (Deutsches Milchkontor) kennt er sich mit Milchwirtschaft und den unterschiedlichen Interessen und Problemlagen gut aus.  Er benennt vor allem die drängenden wirtschaftlichen Themen: steigende Kosten, Fachkräftemangel, Moor-Vernässung und überbordende Bürokratie. Bei allen Problemen geht er aber davon aus, dass das System an sich gut funktioniert und auch regionale Landwirtschaft eine auskömmliche Zukunft hat. Mit Blick auf Artenvielfalt und Klimakrise bricht er eine Lanze für Grünland, dies sei keine Monokultur wie z.B. der großflächige Maisanbau. 

Maren Boltes ist junge Milchbäuerin aus Oldenburg. Ihr Hof bewirtschaftet Moor- und Naturschutzflächen mit 120 Milchkühen am Rande von Oldenburg. Auf unterschiedlichen Wegen bringt sie Menschen landwirtschaftliche Arbeit nahe, über Informationstafeln, Hofführungen, Schulklassenbesuche und soziale Medien. Sie engagiert sich in der i.m.a (information.medien.agrar e.V.). Hier werden Landwirt*innen bei ihren Vorhaben, mit Verbraucher*innen in den Dialog zu kommen unterstützt.

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Frau Boltes berichtet über ihre Erfahrungen als eine, die gerade mit ihrer Schwester den elterlichen Hof übernommen hat, mit einem Betrieb in einem Landschaftsschutzgebiet. Die damit verbundenen Einschränkungen bezogen auf Dünger und Pflanzenschutz machen es schwierig, die für den Betrieb nötigen Erträge zu erwirtschaften. Eine Umstellung auf „Bio“ rechne sich bei diesen Böden nicht. Andrerseits macht ihr die Arbeit als Landwirtin sehr viel Freude und auch der Kontakt mit den vielen Besucher/innen, darunter auch sehr viele Kinder ist ihr wichtig. Bezogen auf die Vernässung der Moorböden ist sie skeptisch, ob dies fürdas Klima so zuträglich ist, dass es die Verluste für die Landwirtschaft rechtfertige. Die Extreme von großer Trockenheit und zu viel Wasser als Folge des Klimawandels bedeuten immer wieder Umstellungen in der konkreten Arbeit, das sei schwierig und anstrengend.   

Ottmar Ilchmann ist Milchbauer aus der Region und Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Hier sind konventionell und ökologisch wirtschaftende Bauernhöfe zusammengeschlossen. Ihre Themen drehen sind um eine sozial- und umweltverträgliche Landwirtschaft. „Die Gesellschaft wie auch die Bauern und Bäuerinnen wollen Tierschutz, Klimaschutz, den Erhalt der Artenvielfalt, das bedeutet höhere Kosten und deshalb fordert die AbL wirtschaftliche Perspektiven für die Höfe.“ 

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Auf die Frage nach seinen aktuellen Themen aus der Sicht eines Milchbauern und als Funktionär benennt er die schwache Position der Landwirt/innen, der Erzeuger von landwirtschaftlichen Produkten in der Wertschöpfungskette. Sie sind diejenigen, die ihre Kosten nicht wie andere weitergeben können. Der Handel dagegen mache sich die Taschen voll. Die Preispolitik der Molkereien sei ebenso problematisch wie die Orientierung der Preise auf den Weltmarkt. Er verweist darauf, dass sehr viele gute, konkrete Vorschläge für einen Umbau der Landwirtschaft vorliegen, wie z.B. die Empfehlungen der so genannten Borchert Kommission von 2020 (unter CDU-Regierung erstellt), deren Umsetzung nun von der Opposition verhindert werde. Subventionen müssten anders gesteuert werden, andere Länder machten dies bereits, indem sie z.B. Subventionen bezogen auf die Größe der Flächen limitierten. Bezogen auf die Herausforderungen der Klimakrise setze er auf eine Pufferung durch Vielfalt, kleinteilige Bewirtschaftung und Weidehaltung und darauf, nicht auf Maximalertrag zu setzen. Er sehe in der Landwirtschaft einen Player bei der Suche nach Lösungen. 

Über diese Punkte hinaus gab es eine Reihe Fragen der Besucher/innen und nach Schluss der Veranstaltung leerte sich der Raum noch lange nicht. Sowohl die eingeladenen Gäste als auch viele Besucher/innen der Veranstaltung blieben und diskutierten weiter. Am Ende kamen viele positive Rückmeldungen zu einer offenen, moderierten Gesprächsveranstaltung wie dieser. Dies nimmt die UWG als Ermutigung, auch weiterhin solche Orte des Austausches mit unterschiedlichen Themen anzubieten. Auch das ist gelebte Demokratie.