Klimaschutz – Moorschutz – Artenschutz zusammen denken
UWG fordert Rat und Verwaltung auf, ihre Planungshoheit bei der Ausweisung von Flächen für Windkraft nicht ohne Not aufzugeben
Vor einem Jahr hat der Gemeinderat sich selbst gefeiert! Ein Klimaschutzkonzept wurde beschlossen, fast einstimmig. Nicht zugestimmt hat damals Thomas Apitzsch von der UWG. Auch weil er die Verengung von Klimaschutz auf ein Umsetzen von Windenergie ohne Wenn und Aber falsch fand. Nun steht die abschließende Befassung mit dem neuen Teilflächennutzungsplan „Windenergie“ durch Bauausschuss und Rat an. Für die für Windanlagen vorgesehenen Flächen vor allem in Husbäke fordert die UWG ein Überdenken.
Eine Wende in unserem Umgang mit Energie ist notwendig. Für die Umsetzung muss die Gemeinde die Voraussetzungen schaffen, dafür hat sie die grundgesetzlich verankerte Planungshoheit. Und sie muss demokratisch entscheiden, mit und im Interesse der Leute, die hier leben.
Artenschutz, Moorschutz und Klimaschutz gehören zusammen – das sollten wir nicht einfach vom Tisch wischen mit einem „… das muss jetzt so sein“. Noch ist nicht entschieden, ob die kritischen Flächen überhaupt zur Erreichung der Landesflächenwertes gebraucht werden, warum sich also im vorauseilenden Gehorsam jagen lassen. Nutzen wir als Gemeinde unsere Planungshoheit. Wir hoffen in den anstehenden abschließenden Befassungen im Bauausschuss und im Rat auf eine Chance auf Besseres.
Flächennutzungskonflikte nicht beiseite wischen
Der aktuell geforderte beschleunigte Ausbau von Windenergie stellt Politik und Naturschutz vor schwerwiegende Entscheidungen. Denn Klimaschutz ist viel mehr als nur Energiewende. Moorschutz und Moor-Vernässung, Artenschutz, Aufforstungen, Biotope herstellen und vernetzen, Wasser-Management, weniger Bauen, weniger Verkehr, Agrarwende, Umweltbildung gehören auch dazu. Konflikte vor allem Flächennutzungskonflikte sind unvermeidlich und müssen ernsthaft angegangen werden. Ein Tunnelblick „… das muss jetzt sein“ wie aktuell bei der Festlegung der Windenergieflächen kann am Ende auch zu weniger Klimaschutz führen.
Von den geplanten Windenergieflächen liegt die aus unserer Sicht problematischste in Husbäke. Hier geht es um eine sehr große Fläche an Moorböden, direkt am Naturschutzgebiet (NSG) Vehnemoor. Diese Fläche hat der Gemeinderat im Jahr 2014 aus Artenschutzgründen als Standort für Windenergie abgelehnt. Damals war das NSG in diesem Bereich noch eine braune Wüstenlandschaft, der Torfabbau noch in vollem Gange. Nun hat in den meisten Flächen die Wiedervernässung begonnen. Seit Jahren siedeln sich hier Tier- und Pflanzenarten wieder neu an, Ornithologen sind begeistert von der Entwicklung.
Biodiversitätsverlust und Erderwärmung sind zwei gleichrangige Krisen von großer ökologischer und gesellschaftlicher Bedeutung. Die Bedeutung der Moore für den Klimaschutz sind inzwischen breit anerkannt. Im Oktober 2022 trat die „Nationale Moorstrategie“ Deutschlands in Kraft. Unser Bundesland mit dem größten Anteil an Mooren, die knapp 15 % der Landesfläche ausmachen, steht in einer besonderen Verantwortung. Niedersachsen plant mit einer „Landesmoorgesellschaft“ eine eigene Strategie zum Schutz der niedersächsischen Moore. Diese soll Anfang 2024 fertig sein. Edewecht mit einem der größten Mooranteile im Landkreis Ammerland wird hiervon besonders betroffen sein. Wir werden Moorböden zur Vernässung brauchen. Zumal sie dem Klimaschutz mehr bringen als der Bau von Windenergieanlagen auf Moorböden, was zunächst riesige Mengen CO2 freisetzt. Deswegen muss nach Ansicht vieler Menschen im Sinne des Klimaschutzes hier Moorschutz und Artenschutz Vorrang haben.
Und: Im Bereich der vorgesehenen Fläche in Scheps stehen bereits mehrere Windanlagen. Dies führt dort zu einer deutlichen Überfrachtung des Raumes. Diese Überbelastung der dort lebenden Menschen sollte nicht einfach vom Tisch gewischt werden.
Das Pferd von hinten aufgezäumt
Ja: Das Wind-an-Land-Gesetzes muss umgesetzt werden. Die Verantwortung liegt aber beim Land Niedersachsen, dann beim Landkreis und erst am Ende bei der Kommune.
Der Bund hat sein „Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land“ (sog. Wind-an-Land-Gesetz) zum 1. Februar 2023 umgesetzt. Ziel ist es, 2 Prozent der Bundesfläche für Windenergie an Land zur Verfügung zu haben. Für die Umsetzung hat der Bund die Länder verpflichtet, sogenannte „Flächenbeitragswerte“ zu liefern, insgesamt bis Ende des Jahres 2027 1,4 Prozent und bis Ende 2032 zwei Prozent der Bundesfläche. Für Niedersachsen liegt der Flächenbeitragswert bei insgesamt 2,2 Prozent Landesfläche.
Niedersachsen hat sein Landesgesetz zur Umsetzung noch nicht verabschiedet. Im Entwurf nimmt das Land die Träger der Regionalplanung in die Pflicht, in unserem Fall ist das der Landkreis Ammerland. Die jeweiligen Flächenziele werden mit Anteilen von 0,01 % bis 4,0 % verteilt. Fürs Ammerland sieht das Land Niedersachsen in seinem Gesetzentwurf 1,32 Prozent der Flächen vor, bei angenommenen Potentialflächen von 2,25 Prozent. Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet, es können sich also noch Veränderungen ergeben.
Klar ist es klug und wichtig, sich als Gemeinde mit den eigenen Interessen im laufenden Prozess einzubringen. Das Wind-an-Land-Gesetz führt dazu, dass Gemeinden bis Februar 2024 „substantiellen Raum“ in ihren Flächennutzungsplänen für Windenergien bestimmen müssen, wenn sie die Entprivilegierung von Windenergievorhaben außerhalb davon dauerhaft sichern wollen. Wichtig ist es aber auch, die eigene Planungshoheit nicht ohne Not aufzugeben. Diese Not wird in Edewecht aber auch in anderen Gemeinden damit begründet, dass auch als kritisch angesehene Flächen in den neuen Teilflächennutzungsplänen Windenergie aufgenommen werden müssen, um Wildwuchs zu vermeiden. Da bislang weder Land noch Landkreis rechtsverbindliche Vorgaben gemacht haben, sollte noch einmal gründlich geprüft werden, ob die für Artenschutz und Moorschutz wichtigen Flächen in Husbäke überhaupt notwendig sind.
Entwurf für die Umsetzung in Niedersachsen vom Mai 2023
Umdenken statt durchregieren
Die Gemeinde Edewecht muss wie andere Gemeinden auch einen neuen Teilflächennutzungsplan Windenergie (FNP) aufstellen. Das Wind-an-Land-Gesetz beinhaltet wesentliche Änderungen im Baugesetzbuch. Demnach müssen Kommunen in ihren Flächennutzungsplänen „substanziellen Raum“ für Windenergie zur Verfügung stellen. Was das genau heißt, ist nicht definiert, es kommt auf den Einzelfall an. Das Bundesgesetz sieht Ausgleichsmöglichkeiten durch andere Regionen vor, wenn eine Kommune nicht genügend geeignete Flächen hat.
Das Wind-an-Land-Gesetz sieht bei Flächennutzungskonflikten weiterhin vor, dass die Erforderlichkeit der Ausweisung für Windenergie zur Erreichung des Flächenbeitragswerts geprüft wird. Die Prüfung der Erforderlichkeit beinhaltet Abwägungselemente. Diese Abwägung steht unserer Meinung nach für die Flächen am Vehnemoor noch aus.
Quelle:
Das Land Niedersachsen bezeichnet 7,2 Prozent der Landesfläche prinzipiell als Windenergie-Standort geeignet. Energieminister Meyer: „Die Rückmeldungen vieler Kommunen machen mich zuversichtlich, dass wir 2026 schon 2,5 Prozent oder sogar mehr Windvorranggebiete erreichen können.“ Das hört sich nach Luft nach oben an. Insgesamt ein noch offener Prozess.
Quelle:
Planungshoheit jetzt noch nutzen
Warum will trotz vieler Bedenken und trotz vieler Eingaben von Initiativen und BürgInnen bisher eine Mehrheit im Gemeinderat die kritischen Flächen jetzt und schnell für Windenergie festlegen? Über die Sorge, „…,wenn wir jetzt nicht bestimmen, bestimmen andere“ hinaus argumentieren einige aus Rat und Verwaltung, dass sie Windenergie extrem wichtig finden, so dass alles andere dahinter zurückstehen soll, vielleicht wollen andere ihren ParteifreundInnen im Bund auch nicht widersprechen?
Wir finden: Ein neuer Teilflächennutzungsplan Windenergie ohne die strittigen Flächen in Husbäke und Scheps kann verantwortet werden. Der Gemeinderat hat dazu das Recht und kann es auch gut begründen. Der FNP muss vom Gemeinderat beschlossen werden, danach muss der Landkreis ihn noch genehmigen. Dabei wird hier dann Thema, ob noch Flächen für Windkraft für die Flächenbeitragswerte des Landes fehlen und welche Flächen der einzelnen Gemeinden dann in der Abwägung zur Erforderlichkeit aufgenommen werden müssen. Möglicherweise geht es auch ohne die kritischen Flächen in Edewecht.
Wir können in diesem Verfahren den Landkreis davon überzeugen, dass es in Edewecht nur sehr wenige geeignete Windenergieflächen gibt. Der Landkreis nennt die Flächen am NSG Vehnemoor in seinem eigenen Landschaftrahmenplan als wichtig für den Artenschutz.
Und zum „jetzt und schnell“ möchten wir darauf verweisen, dass bei Ausweisung von substantiellen Flächen für Windenergie in einem Teilflächennutzungsplan Windenergie bis Februar 2024, also bis ein Jahr nach Inkrafttreten des Wind-an-Land-Gesetzes, deren Ausschlusswirkung noch bis zum 31.12.2026 fortwirkt. Ausschlusswirkung bedeutet, dass Windenergieanlagen außerhalb von in einem Flächennutzungsplan oder Regionalplan dargestellten Flächen grundsätzlich nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB unzulässig sind.
Quelle:
https://sparwasser-schmidt.de/wind-an-land-gesetz-und-die-planungshoheit-der-kommunen/
Demokratie geht anders
Beteiligung von BürgerInnen an solch weitreichenden Entscheidungen ist demokratische Pflicht. Im Verlauf der Ausweisung der Potentialflächen für Windenergie für Edewecht haben viele BürgerInnen ihre Eingaben gemacht, zuletzt waren Stellungnahmen zum „Sachlichen Teilflächennutzungsplan „Windenergie“ gemäß § 5 Abs. 2 b BauGB29“ vom Juni 2023 bis einschließlich 31. Juli 2023 möglich. Allerdings wurde die Auslegung nun zum 2. Mal in die Ferien gelegt. Niedrigschwellig ist das nicht. Die vielfältigen Eingaben von BürgerInnen, von Institutionen und Organisationen wurden im bisherigen Verfahren vielfach nicht berücksichtigt. Sie wurden nur „zur Kenntnis genommen“ oder gleich abgelehnt. Das war keine faire Abwägung unterschiedlicher Meinungen. Und Kenntnisnahme ist qua Gesetz vorgeschrieben und kein angemessener Umgang mit den Eingaben.
Ein Appell zum Umdenken
„In der Verantwortung für zukünftige Generationen bestimmt der Klimawandel, wie wir als Menschen leben, das Artensterben, ob wir auf der Erde überleben.“ (Prof. Dr. Böhning-Gaese: Das Verschwinden der Arten“)
Kommen wir unserer besonderen Pflicht zur Sorgfalt, insbesondere bei Flächen mit deutlichen Zielkonflikten wie zum Beispiel dem Gebiet am Vehnemoor in Husbäke nach. Hier haben wir einen vom Bundesministerium für Naturschutz ausgewiesenen Hotspot der Biodiversität und auch noch intakte Moorkörper.
Wir wollen uns einsetzen für mehr Klimaschutz durch Energiewende und Landschaftsschutz, Moorschutz und Artenschutz.
Wir hoffen in den anstehenden abschließenden Befassungen im Bauausschuss und im Rat auf ein Umdenken.