Auch wir sind Edewecht – ein kleiner Einblick in unsere Veranstaltung am 11.10.2025 im Gasthof am Markt
Nun war es endlich soweit – nach langer Vorbereitungszeit und einem verschobenen Termin konnte endlich am 11.10.2025 die Veranstaltung ‚Auch wir sind Edewecht‘ im Gasthof am Markt stattfinden.
Margaretha Kurmann moderierte die Erzählungen und Einsichten der Menschen, die um das Jahr 2015 als Geflüchtete nach Edewecht kamen. Wie sie angekommen sind, wie es dann weiterging und was sie bis heute geschafft haben.
Und dann heißt es wieder: Warten
Ehab al Omare vermittelte in seiner Einführung einen Eindruck von dem bürokratischen Dschungel durch den sich geflüchtete Menschen in Deutschland ihren Weg bahnen müssen. Ohne Unterstützung und rechtlichen Beistand oft gar nicht zu meistern. Ohne gute Deutschkenntnisse sowieso nicht. Am Ende diesen Weges steht im besten Fall die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft: Asylberechtigung, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz oder ein Abschiebungsverbot – auch das kann das Ergebnis sein. Im schlimmsten Fall ist es die Androhung der Abschiebung. Ehab al Omare verdeutlichte eindrücklich, wie sehr dieser Prozess bis zu einem sicheren Aufenthalt in Deutschland, der sich über Jahre hinziehen kann, permanent einen hohen psychischen Druck erzeugt. Es ist eine ständige Gratwanderung zwischen Verzweiflung und Hoffnung.


Alles auf Anfang
In drei Interviewrunden stellten sich neun NeubürgerInnen Edewechts vor. Alle, bis auf einen, der aus beruflichen Gründen nach Bremen verzogen ist, leben nach wie vor in der Gemeinde Edewecht. Für sie alle war in der ersten Zeit buchstäblich alles anders als in ihrem vorherigen Leben: Die Sprache, die Alltagsgewohnheiten, die Art miteinander umzugehen. Es gab keine Familie, keine Nachbarn, keine ArbeitskollegInnen, keine Freundinnen und Freunde.
Sie schilderten ihren Weg in Arbeit und Berufsausbildung und die damit durch bürokratische Hürden verbundenen Hindernisse und Verzögerungen. Es ging um die Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse, darum ganz von vorn anfangen zu müssen, um Deutsch- und Integrationskurse, die es mal gab und mal auch nicht oder um den Nachzug der Familie. Alle betonten, dass sie in Edewecht oder an ihren neuen Ausbildungs- und Arbeitsstellen ein hohes Maß an Unterstützung und Entgegenkommen, z.B. durch die ehrenamtlich Engagierten des Runden Tisches, des DaF, einigen ehrenamtlich engagierten Einzelpersonen erhalten haben. Aber auch die Migrationsberatung und Proconnect wurden erwähnt. Diese Unterstützung war sehr hilfreich dabei, hier gut anzukommen und die vielen nötigen Schritte zu gehen. Auch wenn Vieles schwer war.
Wir haben es geschafft !
Alle sind nun in Arbeit, haben eine Ausbildung absolviert, ihre Ausbildung im Herkunftsland wurde anerkannt oder sie besuchen eine höhere Schule. Sie haben Deutsch gelernt, ihre Kinder sind in KiTa oder Schule gut angekommen – manche haben mittlerweile den deutschen Pass. Bis dahin war es ein weiter Weg, den alle erst einmal finden mussten. Denn, wer die ‚üblichen‘ Wege nicht kennt, braucht Menschen, die sie einem aufzeigen. Als Zuhörende haben wir erfahren, was es bedeutet, unter großem Stress eine neue Sprache zu lernen, als junge Mutter Schulabschlüsse zu erlangen oder als gelernter Fliesenleger eine Ausbildung mit all den zu lernenden Fachbegriffen hinzubekommen. Auch für diejenigen, deren Universitätsabschluss anerkannt wurde, dauerte es, bis sie in ihrem Beruf wieder Fuß fassen, und damit ihren Beitrag leisten konnten. Die Angst um die eigenen Familien und Freunde im Heimatland war dabei ständiger Begleiter.
Drei der ehemals Geflüchteten erzählten von ihren unterschiedlichen Wegen in Arbeit. Einer der Interviewten schilderte, wie er als ehemals beruflich erfolgreicher Selbstständiger in seinem Herkunftsland, als Leiharbeiter in verschiedenen Arbeitsfeldern einen Neuanfang machen musste. Mittlerweile hat er den Sprung in eine Festanstellung geschafft und arbeitet seit sechs Jahren zufrieden in einem Betrieb. Zwei junge Menschen haben uns ihren Weg in ihren jetzigen Beruf aufgezeigt, der nur durch außergewöhnliche Disziplin, Durchhaltevermögen und Anstrengung zu bewältigen war.
Berufliche Vorkenntnisse aus dem Herkunftsland ermöglichten es einem der jungen Männer in einem metallverarbeitenden Betrieb in Edewecht eine Ausbildung zu absolvieren. Ohne den sonst bei einer Ausbildung vorausgesetzten Schulabschluss und mit, zu dem Zeitpunkt, nur geringen Deutschkenntnissen, hat er es geschafft, einen hervorragenden Berufsabschluss zu machen. Und das alles unter dem permanenten Druck eines unsicheren Aufenthaltes. Das Unternehmen, dass ihm damals einen Ausbildungsvertrag ausgestellt hat, wird nun mit einer Fachkraft belohnt. Initiative, Unterstützung und der Mut zur unkonventionellen Suche nach Fachkräften durch Unternehmen zahlt sich aus !
Das Damoklesschwert der drohenden Abschiebung begleitete den Weg eines anderen jungen Mannes, der heute erfolgreich seinen Beruf ausübt. Kurzfristigen sicheren Aufenthalt ermöglichte zunächst ein Kurs in dem er seinen Hauptschulabschluß und parallel seine Deutschzertifikate erlangte. Nach einer darauffolgenden einjährigen Einstiegsqualifizierung wurde er in eine anspruchsvolle Ausbildung übernommen – auch in dieser Zeit nur ein befristeter sicherer Aufenthalt. Nach dem Berufsabschluss und er Übernahme durch den Ausbildungsbetrieb, endlich ein sicherer Aufenthalt und eine Arbeit, die ihn zufrieden macht.
Nach diesen beeindruckenden Schilderungen ging es zu Kaffee, Tee und Kuchen an die runden Tische im Gasthof am Markt. Hier war Zeit für intensiven Austausch und ein gegenseitiges Kennenlernen.
Wir haben aber auch gehört…………
Unter dieser Überschrift ging es weiter: Es gab nicht nur Unterstützung und Entgegenkommen in der Bevölkerung und bei den Behörden – in verschiedenster Form bekamen die ehemals Geflüchteten den Wind von vorn. Die Stellungnahmen dazu trugen die VertreterInnen der UWG vor.
Wir haben aber auch gehört, dass von Landkreis zu Landkreis, von Kommune zu Kommune unterschiedlich mit den Anliegen der Geflüchteten umgegangen wird, dass Mitarbeitende in Behörden Anträge nachweislich verzögert bearbeiten. Es werden Nachweise verlangt, die es im Herkunftsland in gleicher Form gar nicht gibt. Dass die Anliegen bei Behörden oft effektiver und schneller bearbeitet werden, wenn es in Begleitung Deutschen vorgetragen wird. Häufig führt das Ehrenamt bessere Beratungen durch, als die Mitarbeitenden der Behörden. Wir haben auch gehört, dass Bewerbungen aufgrund des Namens nicht angenommen oder bearbeitet werden, dass für die Anerkennung von Zeugnissen und Abschlüssen aus dem Herkunftsland immer wieder neue Unterlagen angefordert werden und so der Anerkennungsprozess hinausgezögert wird, dass vor einer Einstellung bei einem Arbeitgeber zum Teil Praktika von einem Jahr absolviert werden müssen, schlecht oder gar nicht bezahlt. Oder dass Einstellungen bei Arbeitgebern nicht der Qualifikation entsprechend erfolgen, sondern in schlecht bezahlten Positionen. Trotzdem werden aber Fachkenntnisse des Arbeitnehmers gern unentgeltlich in Anspruch genommen. Wir haben aber auch gehört, dass mittlerweile große Angst herrscht, jetzt nach Syrien oder Afghanistan abgeschoben zu werden. Dass es wenig Freundschaften und alltäglichen Umgang mit Alt-EdewechterInnen gibt und dass es oft einen ‚von oben herab‘ Umgang mit Menschen gibt, die aus Afghanistan, arabischen oder afrikanischen Staaten kommen.
Resumée
Schließlich zogen Souaibou Diallo, mittlerweile Speditionskaufmann in Bremen, und Matthias Elsner, unser Ratsherr, das Resumée dieser Veranstaltung.


Souaibou Diallo dankte alles für die Unterstützung, die er in erster Linie durch das Ehrenamt erfahren hat und ihn dahin führte, dass er nun in einem international tätigen großen Unternehmen arbeiten kann. Er wünschte aber auch Allen, die jetzt und zukünftig die Flucht antreten müssen und nach Deutschland kommen, dass ihnen nicht mehr so viele Steine in den Weg gelegt werden.
Matthias Elsner betonte in seinem Resumée, dass sich endlich das Bewusstsein durchsetzen muss, das wir längst eine Einwanderungsgesellschaft sind, in der ein Drittel der Bevölkerung eine Migrationsgeschichte hat. Er wünschte sich, dass das Interesse an dem Schicksal der Menschen, die in der Gemeinde Zuflucht gefunden haben auch bei den Mitgliedern von Rat und Verwaltung stärker sein sollte.
Die Bedeutung dieser Veranstaltung wurde in den abschließenden Bemerkungen aus dem Publikum deutlich – endlich kommen die ehemals Geflüchteten selbst zu Wort und präsentieren sich als Teil unserer gemeinsamen Gesellschaft. Wir hoffen auf mehr davon. Vielleicht wird es in Zukunft jemanden aus diesem Kreis geben, der sich im Gemeinderat für eine lebendige, integrative Gemeinde engagiert.
Hilke Holthuis / Margaretha Kurmann
